Sonntag, 31. August 2014

Städte und Fassaden: Timisoara

Timisoara ist zur Zeit leider “under construction“, sodass die gesamte Innenstadt aus Baustellen besteht. Z.B. vom Einheitsplatz (piata unirii) ist nichts mehr zu sehen. Die Studentenstadt ist ansonsten durch die Sommerferien relativ ruhig und leer, abgesehen von dem gleichmäßig stark bleibendem Verkehr auf allen Straßen. Besonders beeindruckt hat mich...

1. die Fülle von Gegensätzen: eine schicke, regelmäßig gepflegte Fassade direkt neben einer total heruntergekommenen; ein Eingangstor mit Brüchen im Glas aber mit hochmoderner PIN-Code-Sicherung; verlassene, zusammengefallene Häuser nicht weit vom perfekt gepflegten, ruhigen Park; verrostete, leere Industrieanlagen neben einem riesigen überlaufenen Einkaufscenter mit allen vorstellbaren Luxusgeschäften...





2. die Unperfektheit der Details: Eine große restaurierte Kirche mit Löchern im Rosettenfenster; offene Straßenbahntüren; kaputte Zäune; kreuz und quer parkende Autos; chaotische Schaufenster... Das und vieles mehr ist in meinen Augen ehrliches Leben, wir sind nicht perfekt sondern dann eher gekünzelt...




Samstag, 30. August 2014

Timisoaras Bewohner

Ankunft: Mit dem Zug kam ich über München, Budapest und den ersten rumänischen Ort Arad nach ca. 25 Stunden Fahrt in Timisoara an, einer recht jungen Stadt mit knapp 350 tausend Einwohnern. Mein rumänischer Couchsurfer holte mich mit seiner anderen Couchsurferin aus Macao direkt vom Bahnhof ab.

Die verrückten jungen Leute: Die beiden waren sehr aktiv, sodass wir die folgenden Tage ständig unterwegs waren, in der Stadt, am See, im Biergarten oder in Clubs - fast immer mit einigen Freunden von ihm. Insgesamt waren wir beiden Ausländer überrascht wie gut alle Englisch sprachen und hätten es fast auf alle Rumänen übertragen. So hatten wir also nicht nur Spaß in einem alternativen Kulturzentrum, sondern auch auf einer steif-schicken Poolparty, zu der jeder per Taxi kam und auf der sich kaum jemand außer uns ins Wasser traute. Letztendlich lernten wir durch unseren Host, ein Architekturstudent, wohl vor allem die verrückten Bewohner kennen. Das merkten wir besonders, wenn wir Abends auf dem Dach saßen und uns stundenlang gegenseitig Klischees um die Ohren schlugen, oder einen Tag lang am See verbrachten, wo das Ziel war möglichst bescheuert aussehend über eine Rutsche mit Rampe ins Wasser zu fliegen.


Außenseiter: Überrascht und schockiert hat mich ihre weit verbreitete negative Einstellung gegenüber "Gipsys". Für diese noch so offenen, gebildeten, jungen Studenten sind die Roma, als verallgemeinerte Masse, entweder diejenigen, die im Westen ein schlechtes Bild von Rumänen hinterlassen weil sie arm sind und stehlen oder diejenigen, die den Westen betrügen und von daraus resultierenden finanziellen Hilfen riesige hässliche Villen bauen. Auch vorher hatte ich von einem Deutsch-Rumänen nur gehört, dass sie gefährliche Betrüger und Diebe seien - am Straßenrand lebend fähig zu allem.
Ich selber kann mir bisher noch gar kein Bild machen, was stimmt und was nicht. Außer ihrer wundervollen Musik kenne ich nichts von ihnen. Ich habe nur einige dieser Villen gesehen, manchmal sieht man ganze Dörfer davon, aber hässlich würde ich sie nicht nennen, nur durchaus überdimensioniert, meist mit bedrohlich schwarzen Dächern. Jedenfalls bin ich gespannt, ob ich noch mal eine andere Seite zu hören bekomme oder mir selbst ein Bild machen kann...  
                  
Städtisches Leben: Als wir einen Samstag durch die Stadt zogen sahen wir mind. 5 Hochzeitspaare, eines davon aus einer großen katholischen Kirche in eine laut feiernde, musizierende, traditionell gekleidete Menge kommend. Die anderen zogen alle durch Parks für Fotoshootings. Dazu machten einige weitere Hochzeits-Kolonnen durch lautstarkes Hupen auf sich aufmerksam:


Im generellen hat sich aber ein Horrorszenario überhaupt nicht erfüllt: dass überall arme (und) alte Menschen lungern. Bisher kommt es mir weniger vor als zu Hause. Es gibt alte bettelnde Frauen und ein paar Betrunkene, aber nicht erwähnenswert viele. Auch von Diebstahl hört man nichts, immerhin sind wir nicht in der großen, vollen Hauptstadt!

Mein Vorurteil der Gastfreundschaft finde ich dafür schon eher wieder: Die Menschen sind sehr hilfsbereit und meist nett (wenn nicht überarbeitet), nur kann oder will kaum jemand Englisch sprechen. Letzteres ist für mich wiederum eigentlich gut, weil ich ja mein Rumänisch verbessern will (but, you know.. my English has got much worse aswell :P)...

Donnerstag, 28. August 2014

Routen-Update


Man kann es Faulheit nennen, dass ich mich entschieden habe nicht komplett durch Rumänien zu fahren um einen Sprachkurs zu besuchen, für mich ist es eine angenehme und spannendere Entscheidung. Ursprünglich wollte ich zu erst nach Bukarest und Constanta (am Schwarzen Meer) um dann nach drei Wochen wieder einen Tag lang in den Norden zu fahren.

Mein erstes richtiges Ziel ist nun Cluj-Napoca (Klausenburg) wo ich mir Leute suchen werde mit denen ich einen Rumänisch-Deutsch-Austausch machen kann. Kurz vor meiner Ankunft hat mir dann auch eine Art Kommune zugesagt in der ich bleiben kann so lange ich will. Danach geht es in die Nähe von Huedin auf eine Ranch wo es vor allem um Hauserhaltung und Gartenarbeit gehen wird.
Meine jetzige Idee ist, den Gebirgen im Kreis durch Siebenbürgen zu folgen und Bukarest im Zweifelsfall ganz auszulassen. Aber Ich werde bestimmt noch viele weitere Tipps bekommen die mich überall hin führen können...

AUF GEHT'S ALSO!! Mal wieder zu spät angefangen zu packen und deshalb viel zu viel Zeug dabei, alles nur irgendwie im Rucksack verstaut, hektisch Auf Wiedersehen gesagt und gerade noch den Zug erreicht.

Mittwoch, 27. August 2014

Die beschleunigende westliche Marktwirtschaft

Rückblick:
Schon seit einigen Jahren wurde ich das Gefühl nie los, dass ich nicht die einzige Gestresste bin, sondern Hektik zum Alltag wurde. Deshalb hatte ich mich in der zwölften Klasse innerhalb einer Projektarbeit damit auseinandergesetzt, inwiefern unsere freie Marktwirtschaft Auswirkungen auf unsere Gesellschaft hat. Für die, die es noch nicht kennen und mehr wissen wollen ein Ausschnitt aus meinem Fazit:

In den ersten beiden Kapiteln habe ich beschrieben, wie unser Marktwirtschaftssystem uns in einigen Bereichen beeinflussen kann. Eines der Hauptprobleme sehe ich im Prinzip des Wettbewerbs. Dadurch sind nicht nur Unternehmen gezwungen effizienter zu arbeiten, sondern auch alle seine Mitarbeiter. Diese versuchen dann, möglichst viel Zeit einzusparen, sei es mit Hilfe von Multitasking, durch schnelleres Arbeiten oder mit schnelleren Technologien. Solche Technologien werden dann notwendig um mithalten zu können, bieten aber immer mehr Gefahren und Ablenkung. Gleichzeitig erwarten die gehetzten Arbeitnehmer schnellen Service von ihren Anbietern (z.B. Verkäufern, Kellnern etc.) um keine weitere Zeit zu verlieren. Allerdings geraten dabei letztere dann auch wieder in Zeitdruck und es entsteht ein sich selbst antreibendes Hamsterrad in dem man mitlaufen muss um die Position zu halten!

Ebenso ist auf die Wettbewerbslogik zurückzuführen, dass auch immer mehr jüngere Menschen, sogar Kinder, unter Leistungsdruck und Beschleunigung leiden, da sie ausgebildet werden, später bestehen zu können. So entsteht eine immerwährende Angst, abgehängt zu werden.

All die Versuche der Zeiteinsparungen scheinen wie ein Ewigkeitsersatz, denn wir verlieren immer mehr Zeit, möchten aber gleichzeitig mehr erleben als zuvor, auch weil wir immer mehr Möglichkeiten haben. Es gibt viele Stimmen die dafür sprechen, dass dieses immense Zeitproblem kein individuelles, sondern ein gesellschaftliches Problem sei,40 denn alle gesellschaftlichen Schichten sind davon betroffen, ob Kassierer oder Manager. Das Hauptproblem, hebt Hartmut Rosa immer wieder hervor, sei dabei, dass wir das Ziel aus den Augen verloren, die Fortschritthoffnung aufgegeben haben. Wir verbinden mit der Beschleunigung keine Bewegungs- oder Entwicklungshoffnung mehr und merken, dass der qualitative Lebensstandard nicht steigt. „[W]o wir nämlich immer schneller rennen müssen, nicht, um irgendwo hinzukommen, sondern nur um irgendwie auf dem Laufenden, im Spiel zu bleiben [...entsteht] eine Art Kollektivdepression“.
(die Quellen spare ich mir hier mal, auf Nachfrage aber erhaeltlich.)

Dem entsprechend habe ich keine Lust mehr auf "Time Is Money" sondern begebe mich mal wieder auf eine Suche nach Alternativen!