Samstag, 20. September 2014

Social Permacultur & Gift Economy in Cluj-Napoca

Als ich diesen Titel bei workaway zum ersten Mal sah hatte ich keine Ahnung, was mich erwarten könnte. Der weiteren Beschreibung entnahm ich, dass es sich um eine Art Kommune handle, in der jeder aufgeschlossene Mensch und jegliche Projekte willkommen seien. Froh, eine Zusage bekommen zu haben fuhr ich einfach hin.

"Welcome home" hieß es dort sofort von vielen lieben Menschen. Das Haus war in diesen Tagen restlos voll, immer rund 20 Personen, viele kamen vom Rainbow Gathering ("Hippie-Treff") oder waren auf dem Weg dahin. Es war ein ständiges Kommen und Gehen: die erste Nacht teilte ich das Zimmer mit einer Australierin, die Folgenden Tage mit einer 20jährigen Amerikanerin, schliesslich mit einer Rumaenin aus Bukarest.



Die Prinzipien von Adela und Dan basierten auf dem Ziel, den Staat und die Wirtschaft nicht weiter zu unterstützen (möglichst nicht in Läden einkaufen, keine Steuern zahlen über ihr Hotel...), und jegliche organisierten und hieraischen Strukturen zu vermeiden.
So öffneten sie ihr schickes Haus vor gut einen Jahr, das sie viele Jahre als Hotel betrieben hatten, für alle Menschen - mit den Regeln: Fühlt euch zu Hause, hinterlasst alles, wie ihr es gefunden habt, helft (wenn) wo ihr Lust habt, hinterlasst Spenden oder steuert was zur Küche bei wenn ihr könnt und wollt. Letztere stand somit auch allen offen, "nehmt was ihr braucht; vor allem lokale Produkte; vermeidet es, Plastikverpackungen mitzubringen..."

Das Haus: In den oberen beiden Stockwerken sind ca. 6 unterschiedlich große Hotelzimmer, noch mit Zimmernummer und schicker Ausstattung, teilweise eigenen Bädern. In der Mitte war noch einiges im Umbau, dort schliefen mehrere Couchsurfer auf Matrazen zwischen den Arbeitsgeräten. Der Keller beherbergt alle restlichen Hotel-Utensilien und ist noch recht chaotisch, inkl. Privatbereich und einem Free Shop in der Entstehung. Wenn der Shop fertig ist, kann jeder Sachen nehmen, die er brauchen kann und solche dort lassen, die keine Verwendung mehr finden.



Das Erdgeschoss besteht aus der offenen Küche, einem Lagerraum, Toiletten und einer großen Sofaecke, PC und Fernseher.. Dieser Gemeinschaftsbereich steht allen offen, dort trifft man sich, redet, isst (Abends sogar alle gemeinsam in einen grossen "Food-Circle" auf dem Boden), trinkt und kann an Veranstaltungen teilnehmen. Es gab Meditation, Tangotanzen Mandala-Malen, einen schamanischen Workshop und zwei Wochen lang sogar von Morgens bis Nachmittags wochentags einen kleinen Waldorfkindergarten!
Im Garten befindet sich der kleine Ladwirtschaftliche Bereich der "Permakultur", in dem Tomaten, Salate, Kürbisse und einiges anderes wachsen. Gepflegt wird er regelmäßig von einer engagierten Studentengruppe aus Cluj. Die Terasse ist durch selbstgebaute Sitzgelegenheiten nicht nur ein netter Rauchertreffpunkt.


Meine "Arbeit" war mir hier völlig selbst überlassen. Wir führten eine To-Do-Liste ein, die half einen Überblick zu behalten. So vielen zunächst vor allem Putzaufgaben an (Fenster, Badezimmer, Kühlschrank...) oder Aufgaben wie Tee abzupacken.
Die zweite Woche war einiges ruhiger, da die meisten Besucher abreisten, allerdings ließen uns auch Adela und Dan allein. Damit hatten meine rumänische Zimmernachbarin und ich die Verantwortung für das Haus, die Tür sowie die Zimmerverteilung. Einmal sind wir durch die halbe Stadt gelaufen um auf einem Parkplatz drei Beutel Gemüse abzuholen. Ich hatte fast das Gefühl etwas Illegales heimlich am Stadtrand abzuholen, aber es handelte sich scheinbar um eine Bezahlung in Naturalien für vorherige Hilfeleistungen, also alles sehr liebevoll und erlaubt. ;)

Donnerstag, 4. September 2014

Transportwesen

Ob man kurze, eher unbefahrene oder weite Strecken zurücklegen will, in der Stadt oder außerhalb, die Infrastruktur wird sich jedes Mal von einer anderen Seite zeigen!

Auf wichtige Strecken, vor allem nach Bukarest, fahren meist schnelle schicke Züge, eine Mischung aus unseren ICs und ICEs. In diesen gibt es zum Beispiel an jedem Platz Steckdosen, wow! :D Je unwichtiger die Strecken, desto kleiner und klappriger, da fühlt man sich schon manchmal wie im Film. Um aus der Mitte des Landes nach Cluj-Napoca zu kommen, konnte ich mir folgenden Kommentar auf Facebook nicht verkneifen:

Ich mag die kleinen rumänischen Züge, man kann das Fenster aufmachen und den Kopf in den warmen Fahrtwind halten, und er trötet niedlich wenn er sich Übergängen oder Bahnhöfen nähert. Aber es irritiert, dass uns ständig Autos überholen...



 Mit Auto und Bus war ich bisher noch nicht viel unterwegs, aber man bekommt trotzdem schnell ein Bild. Bisher sahen es 90% meiner Fahrer nicht so eng mit Anschnallgurten und Geschwindigkeitsbegrenzungen. Dementsprechend rasend chaotisch ist das Bild sowohl in den Städten, die meist vollkommen überfüllt sind, als auch auf den Landstraßen. Überholen und Schlaglöchern ausweichen tun viele gerne bis sie gerade noch vor dem Entgegenkommenden einscheren. Deshalb sind dieAutobahnen in meinen Augen noch die zivilisiertesten. Die wenigsten fahren schneller als 140/150 km/h, die Straßen sind neu und breit und da sie nicht besonders weit reichen habe ich bisher auch noch keinen Stau darauf gesehen..

Zugegeben, es ist ungefähr so, wie es die negativen Voruteile besagen. Mein Host in Cluj wollte eigentlich gerne, dass ich mit seinem Auto fahre, da ich ja immerhin einen Führerschein habe und so Gemüse abholen könnte, wenn sie nicht da sind. "Hier ist es auch nicht anders als in Deutschland", sagte er zu mir. Aber mir fehlen Schilder, Polizei und Fahrer, die Straßenmakierungen nutzen, deshalb lehne ich dankend ab und nehme lieber das Taxi, ca. 3,5Euro auf 5km. Alternativ gibt es noch Busse, die aber immer über die Innenstadt fahren und dadurch ziemlich lange brauchen können, sowie teilweise sehr moderne Straßenbahnen, die mir bisher noch nicht weiterhalfen. Seit ich in Cluj bin laufe ich daher ziemlich viel, so sehe ich fast jedes Mal eine neue Ecke der Stadt, genieße das Leben langsamer und werde hoffentlich auch etwas sportlicher, denn ohne einen guten Hügel zu erklimmen kommt man hier nicht an sein Ziel.

Dienstag, 2. September 2014

Klara Gabor, "the rebel in a gypsy dress"

Über einige Umwege kam es dazu, dass Becky (20jährige reisende Amerikanerin) und ich durch die ganze Stadt und einen Hügel hinauf wanderten um eine Stunde mit Klara, einem 23 Jahre jungen Gypsy-Mädchen, zu verbringen. Sie spricht fließend Englisch und versucht mit Vorurteilen aufzuräumen, in dem sie, gegen einen kleine Bezahlung, solch spannende Gespräche bietet. Für Klara ist der Ausdruck "Gypsy" übrigens vollkommen OK und traditionell, sie findet "Roma" eher gekünzelt, aber Vorsicht: das sieht jede/r anders.

Sie selber heiratete mit 16Jahren und bekam mit 18 ihr erstes Kind, beides in ihrer Kultur tendenziell spät. Ihr 5jähriger Sohn lebt bei ihren Eltern, 2 Stunden Fahrt entfernt, denn inzwischen wohnt sie mit ihrem zweiten Mann und ihrer 5 Monate alten Tochter, sowie mit noch einigen weiteren (angeheirateten) Familienmitgliedern, in Cluj-Napoca. Sie alle gehoeren der Kaste (aus Indien stammend) der Metallarbeiter an. Außerdem hat sich Klara Nähen beigebracht und vertreibt bald vereinfachte Gypsy-Kleider im Internet, www.tzigania.com/storeromadress.html, damit auch Nicht-Gypsys in aller Welt Interesse entwickeln.

"Klara ist ein Freak"! 
...mögen ihre Bekannten sagen, denn sie ist gebildeter als ihre Frauen sein sollten.


Bildung: Die Mädchen dürfen traditioneller Weise nur 2-5 Jahre in die Schule gehen, Klara möchte ihrer Tochter trotzdem einen Highschoolabschluss ermöglichen. Wo die Eltern mehr Bildung elauben, reicht öfterdas Geld nicht oder die Töchter selbst wollen nicht. Die Jungen können weiter zur Schule gehen während die Mädchen auf ihr Hausfrauendasein vorbereitet werden. So kam es auch, dass Klara sich Englisch selbst beibrachte, mithilfe des (hier weit verbreiteten) englischen Fernsehens mit rumänischen Untertiteln. Was mich beeindruckt ist aber, dass wohl alle rumänischen Gypsys dreisprachig aufwachsen: Rumänisch, Ungarisch und Romani!

Kulturelemente können zwischen den Kasten sehr stark variiren, so wird z.B. in ihrer Kaste eher wenig Musik gemacht, in anderen steht Musik wiederum im Vordegrund. Es gibt andere Kasten wie die der Korbflechter, Pferdehaendler oder der Wald-Gypsys, und NIEMALS mischen sie sich untereinander, das würde Schande über die gesamte Familie bringen (mich beeindruckte ihre leichte Natürlichkeit mit der sie uns dies erklärte). Gemeinsam haben die Gypsys aber scheinbar alle, dass ihnen der Mainstream innerhalb der eigenen Kaste sehr wichtig ist: gehen die meisten zur Zeit in die katholische Kirche dann gehen dort alle hin, obwohl niemand wirklich weis, was die genauen Glaubensgrundlagen der gerade angesagten Kirche sind oder sie vielleicht überhaupt nicht gläubig sind.

Hochzeiten sind in ihren Kreisen weit nicht so wichtig wie bei uns, viele "heiraten" immer wieder, manch eine Ehe dauert nur wenige Tage bis Monate an und bricht dann auseinander, je mehr anstrengende Familienmitglieder im Haus, desto schneller. Nur die erste Hochzeit ist für die Mädchen interessanter, denn dort bekommen sie ihr erstes Tuch zur Haarbedeckung und eine bestimmte Frisur. Weitere Hochzeiten sind dann meist eher Sonntagsessen. In anderen, reicheren Kasten gibt es auch die bekannten großen, lauten Feiern mit 200-300 Gästen.


Dies ist so grob all das, was sie uns in der kurzen Zeit erzählen konnte und ich muss zugeben, dass ich noch nicht weiss, was ich darüber denke. Manchmal beneide ich Kulturen sehr um ihre Traditionen, wie Musik, bunte Kleidung und Feste, aber es schockiert mich auch, wie unselbstständig manche Menschen dadurch werden können. Klara aber ist für mich ein bewundernswertes Beispiel, da sie sehr bewusst lebt, viele Traditionen beibehält, aber trotzdem hinterfragt und wachsam lebt.