Mittwoch, 19. November 2014

Der Beginn der deutschen Invasion

Nach dem Anfang November die erste Wahl zum Präsidenten ohne Sieger mit mehr als 50% ausging und Victor Ponta, vom Westen als Nachfolger der Wendekommunisten beschimpft, als klarer Favorit galt, gab es nun am 16.11. aufregende Stichwahlen.
Pontas Konkurrent, Klaus Iohannis, warb für ein "Rumänien der gut gemachten Sachen", eines seiner Hauptziele sei also auch der Kampf gegen Korruption. Er gehört zur deutschen Minderheit und ist seit vielen Jahren Bürgermeister von Sibiu/Hermannstadt, hat dort erfolgreich (insb. ausländische) Investoren angeworben damit sowohl das Stadtbild aufgebessert, als auch Arbeitsplätze geschaffen. 2007 war Sibiu durch ihn Kulturhauptstadt.


Iohannis ist damit nicht nur Konkurrent sondern auch gefährlicher Feind für Ponta und seine Kollegen, nicht wenige von ihnen wanderten kurz vor den Wahlen wegen Korruption bereits ins Gefängnis, und auch so manche Geschichten über Ponta klingen skuril, es helfe Wikipedia, um nur ein Beispiel zu nennen:

Mindestens 85 von 307 Seiten der Doktorarbeit sind als Plagiat im „Copy-Paste-Verfahren“ nachgewiesen worden.[8] Ponta erklärte, sich jeder Überprüfung stellen zu wollen, und machte seinen politischen Rivalen Präsident Traian Băsescu als Drahtzieher für die Vorwürfe verantwortlich.[9] Der Nationale Rat für die Überprüfung von akademischen Titeln, Diplomen und Zertifikaten (Cnatdcu) stellte die Täuschung zwar ursprünglich fest, wurde aber per Eildekret in seiner Zusammensetzung so vergrößert, dass 25 neue vom Unterrichtsministerium bestellte Mitglieder die vorhandenen 20 Mitglieder überstimmten.

Meine Meinung, welche in westlichen europäischen Ländern ebenfalls weit verbreitet ist, seht ihr damit klar vor euch. Den Wählern ging es da anders. Die Nacht nach den Stichwahlen wurde sehr aufregend, denn die Ergebnisse schwankten ruhelos um 50%. Zunächst sah es, wie erwartet, gut für Ponta aus, aber ab 21Uhr stiegen Hochrechnungen auf 51% und mehr für Klaus Iohannis.

Zur gleichen Zeit gingen in den Städten wieder tausende junge Rumänen auf die Straßen, weil erneut "technische Probleme" im Ausland dortige Rumänen hinderten (zumeist Iohannis) zu wählen. Tausende warteten in ganz Europa von morgens bis abends vergebens, ihre Stimme abzugeben. Die Demonstranten warfen der Regierung vor, die Prozesse vorsätzlich zu erschweren, da im Ausland kaum jemand die Linken wählt. In Bukarest wurde Viktor Ponta von der Masse nach Hause geschickt.

Darin zeigt sich mir auch der grosse Spalt zwischen den jeweiligen Anhängergruppen.
Viele meiner Freunde und Couchsurfer hatten zunächst eine junge Juristin gewählt und in der Stichwahl fast alle von ihnen Iohannis. Vermehrt erzählten sie, dass keine Anhänger Pontas jegliche Argumente hervorbringen konnten, warum sie diesen wählen. Manche scheinen tatsächlich Angst vor einer deutschen Invasion zu haben. Ein Couchsurfer schilderte uns, wie er sich ein mal auf diese Argumentation einliess: "Mal alle rationalen Gedanken ausgeschlossen, was wäre dir lieber: eine russiche oder eine deutsche Invasion?". Während manche Studenten schon ihre Auswanderung planten, falls Ponta gewinnen sollte, hielfen in den Dörfern noch leckere Lebensmittel, um Wähler von Pontas Großzügigkeit zu überzeugen...

Ich habe aber auch an einem guten Freund gesehen, wie effektiv Pontas Propaganda zumindest im Fernsehen lief. Abgesehen von unrealistischen Hetzkampagnen gegen Iohannis, verschaffte sich Ponta so überhaupt Glauben, in dem er z.B. deutlich machte, dass seine Doktorarbeit gar kein Plagiat sei. Über Proteste gegen Ponta wurde im rumänischen Fernsehen nicht berichtet.
 

Zu dem zeigte er sich in Debatten mit Iohannis als der bessere Redner, der mit vielen Zahlen und Statistiken um sich werfen konnte, während sich Iohannis maximal mit seinen eigenen Gedanken rechtzufertigen wusste. Dass Ponta sein Gegenüber ständig unterbrach und niemals ernstnahm, fiel wiederum nur seinen Gegnern auf. Am Ende der Debatten fühlte sich wohl jeder in seiner Wahl bestätigt, inhaltlich gab es aber weiter keine Argumente. Zuletzt war es meinem Freund noch wichtig anzumerken, dass Iohannis ja nur ein Physiklehrer sei und in Sibiu nun auch nicht alles perfekt liefe, während Ponta Jurist und bereits Ministerpräsident sei und deshalb Ahnung haben müsse (sinngemäß!).

Ich versuche nicht, über Pontas Wähler zu urteilen, sondern lediglich die Lage zu verstehen. Mein finaler Eindruck bleibt, dass Ponta mit allen Mitteln der erschummelten Überzeugungskraft für sich warb, während Iohannis, auch aus Geldmangel, nicht viel anderes blieb, als seine Fans in Internet und persönlichen Treffen von seinen Absichten und Stärken zu überzeugen.

Am 17.11. kurz nach Mitternacht rief Viktor Ponta anscheinend bei Klaus Iohannis an und gratulierte diesem zum Sieg. Freunde schrieben mir daraufhin und am nächsten Tag noch begeistert, dass Iohannis' Anhänger nach der folgenden offiziellen Siegeserklärung anfingen in den Strassen zu singen. Selbst für mich fühlten sich diese Momente wie Silvester an. Nun hängt viel Hoffnung an Iohannis, aber vor allem die Dankbarkeit:

Klaus rettet uns vor der Maus!

Update 21.11.: ich wurde noch darauf hingewiesen, dass viele Wähler nicht unbedingt pro Iohannis, sondern vor allen KONTRA Ponta waren. Dies lässt sich mit den Zahlen der ersten Wahl unterstützen, da Iohannis nicht mal 30%, Ponta hingehen gut 40% der Stimmen erhielt. Dadurch wurde Ponta für Gegner der Linken eine reelle Gefahr. So finde ich dazu auch spannend, dass während der Stichwahl die Wahlbeteiligung für rumänische Verhältnisse Rekordwerte von ca. 65% erreichte. Ich führe dies insbesondere auf unzufriedene Wahlberechtigte zurück, die zunächst keinen Kandidaten für unterstützenswert hielten, jedoch in der zweiten Runde einschritten um “Schlimmstes“ abzuwenden.

Dienstag, 18. November 2014

Ich lebe noch :))

An alle meine Lieben hier ein Lebenszeichen:

Tut mir Leid, dass ich mich nicht mehr gemeldet habe, ist ja aber generell ein gutes Zeichen! :P

Ich hoffe ich hatte euch für einen Monat gut versorgt mit meiner Aussenseiter-Analyse. Inhaltlich geht es hier jetzt immer noch nicht weiter, ich wollte nur mal sagen, dass die Reise noch nicht vorbei ist.

Die letzten Wochen waren voll mit verschiedenen Reisen und Eindrücken, was euch also noch erwartet:
Naturerlebnisse und einfaches Leben mit Couchsurfern in
- Busteni/Sinaia (Schloss Peles)
- Campina
- Piatra Neamt

darunter auch eine Reise mit meinem Liebsten nach
- Bucuresti/Bukarest, das Rumaenische Parlament
- Brasov/Kronstadt, Dracula Schloss in Bran
- Sibiu/Hermannstadt

Besonders aufregend war die Präsidentenwahl vor wenigen Tagen, ein inspirierendes Erlebnis!

Morgen fahre ich dann endlich noch ins traditionelle Maramures und ein paar Tage später muss ich mich auch schon von meinen Freunden in Cluj verabschieden, damit ich genug Zeit habe auf meinem Rückweg viele nette Leute zu besuchen. Also bis bald!!